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Zentralstelle zur Bekämpfung des politisch und religiös motivierten Terrorismus
AV d. MJ v. 7.7.2011 - 3262-404.165 (Nds.MBl. Nr.26/2011 S.480) - VORIS 33210 -

1. Allgemeines

Zur wirksamen Bekämpfung akut auftretender terroristischer Gefährdungslagen, bei denen anzunehmen ist, dass die Täterin oder der Täter aus politischen oder religiösen Motiven handelt, wird bei der Staatsanwaltschaft Hannover gemäß § 143 Abs. 4 GVG eine Zentralstelle zur Bekämpfung des politisch und religiös motivierten Terrorismus eingerichtet.

2. Zuständigkeit

2.1 Unbeschadet der durch das GVG vorgegebenen Zuständigkeit der Staatsschutzabteilungen der Staatsanwaltschaften Braunschweig, Lüneburg und Oldenburg ist die Zentralstelle zuständig für die Bearbeitung der in Niedersachsen anfallenden Ermittlungs- und Strafverfahren, die terroristisch motivierte Straftaten betreffen, soweit diese ein unverzügliches Handeln erfordern oder aufgrund der Anzahl der Beschuldigten oder der Bedeutung der Sache überdurchschnittlich umfangreiche Ermittlungen erwarten lassen.

2.2 Dies gilt insbesondere für

2.2.1 Straftaten nach
a) § 85 StGB (Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot),
b) § 87 StGB (Agententätigkeit zu Sabotagezwecken),
c) § 88 StGB (Verfassungsfeindliche Sabotage) und Sabotagehandlungen i.S. des § 87 Abs. 2 StGB,
d) § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat),
e) § 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat),
f) § 91 StGB (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat),
g) § 111 StGB (Öffentliche Aufforderung von Straftaten),
h) § 126 StGB (Störung des öffentlichen Friedens),
i) § 129 StGB (Bildung krimineller Vereinigungen),
j) § 130 StGB (Volksverhetzung),
k) § 130a StGB (Anleitung zu Straftaten) und
l) § 131 StGB (Gewaltdarstellung),
wenn der konkrete Verdacht besteht, dass diese aus terroristischer Motivation oder innerhalb oder im Umfeld terroristischer Strukturen, Organisationen oder Vereinigungen heraus begangen wurden,
2.2.2 die Bearbeitung aller in Niedersachsen anfallenden Ermittlungs- und Strafverfahren wegen des Verdachts von Straftaten nach
a) dem Sprengstoffgesetz,
b) dem Waffengesetz,
c) dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, bei denen aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte im konkreten Fall ein aktueller terroristischer Bezug erkennbar ist und Ermittlungen im Umfeld terroristischer Strukturen notwendig werden und
2.2.3 die Verfolgung anderer als der in den Nummern 2.2.2 und 2.2.3 genannten Straftaten sowie von Ordnungswidrigkeiten, wenn sie Gegenstand desselben Verfahrens sind.

2.3 Die Zentralstelle ist außerdem zuständig für

2.3.1 Verfahren, aus denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug (Staatsschutzsenat) gehörenden Straftat nach § 120 GVG ergibt und bei denen der Verdacht besteht, dass sie einen terroristischen Bezug aufweisen, bis zur Übersendung der Akten an den Generalbundesanwalt (Nummer 202 RiStBV) und
2.3.2 Verfahren, die vom Generalbundesanwalt nach § 142a Abs. 2 GVG abgegeben werden und bei denen der konkrete Verdacht besteht, dass die verfolgten Taten einen terroristischen Bezug aufweisen.

2.4 Die Zentralstelle bleibt zuständig, wenn sich während des Verfahrens herausstellt, dass ein Tatverdacht nach den unter den Nummern 2.2 und 2.3 genannten Straftaten nicht besteht. Sie kann in diesen Fällen aber das Verfahren jederzeit an die nach § 143 Abs. 1 GVG zuständige Staatsanwaltschaft abgeben. Im Interesse einer zügigen und wirksamen Strafverfolgung soll sie von dieser Befugnis keinen Gebrauch machen, wenn der Abschluss des Verfahrens wegen Art und Umfang des noch bestehenden Tatverdachts vertretbar ist und die übernehmende Staatsanwaltschaft das Verfahren nur mit größerem Arbeitsaufwand zu Ende führen könnte.

2.5 In den von ihr geführten Verfahren nimmt die Zentralstelle auch die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde wahr (§ 143 Abs. 4 GVG, §§ 451 ff. StPO, §§ 46 und 91 OWiG).

3. Zusammenarbeit mit den Staatsschutzabteilungen

3.1 Die Staatsschutzabteilungen bei den Staatsanwaltschaften Braunschweig, Lüneburg und Oldenburg arbeiten eng mit der Zentralstelle zusammen. Hierzu benennen die Staatsanwaltschaften Braunschweig, Lüneburg und Oldenburg jeweils eine Dezernentin oder einen Dezernenten ihrer jeweiligen Staatsschutzabteilung als ständige Ansprechpartnerin oder ständigen Ansprechpartner für die Zentralstelle.

Die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner unterstützen die Zentralstelle in allen Verfahren, die örtlich in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, insbesondere durch Einbringen der örtlichen Sach- und Fachkunde.

3.2 Die Zentralstelle und die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner halten gemeinsame Dienstbesprechungen ab.

3.3 Die Dezernentinnen und Dezernenten der Zentralstelle sowie die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bilden sich regelmäßig gemeinsam fort.

4. Zusammenarbeit mit anderen Stellen

4.1 Die Zentralstelle ist Ansprechpartner des LKA für Ermittlungen im Vorfeld terroristisch motivierter Straftaten sowie für alle in den Zuständigkeitsbereich der Zentralstelle fallenden Sachverhalte.

4.2 Über den Rahmen der Fortbildung und des Erfahrungsaustausches hinaus hält die Zentralstelle Kontakt zu den mit der Bekämpfung und der Verfolgung des Terrorismus befassten Dienststellen auf Bundes- und Landesebene, insbesondere zum LKA, zum Bundeskriminalamt, zum Generalbundesanwalt und zu den Verfassungsschutzämtern. Sie teilt ihre dabei gewonnenen Erkenntnisse den Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern bei den Staatsanwaltschaften Braunschweig, Lüneburg und Oldenburg mit.

5. Verfahren

5.1 Geht eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft ein oder leitet sie von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren wegen einer der unter den Nummern 2.2 und 2.3 genannten Straftaten ein, so informiert sie die Zentralstelle unverzüglich, ggf. übersendet sie ergänzend die Vorgänge, damit die Zentralstelle eine Übernahme prüfen kann. Zugleich informiert sie bei Übernahme durch die Zentralstelle die für sie zuständige Staatsanwaltschaft (Staatsschutzabteilung) in Braunschweig, Lüneburg oder Oldenburg von dem Verfahren und der Abgabe. Ebenso verfährt sie mit Vorgängen, die ihr gemäß § 69 OWiG von der Verwaltungsbehörde vorgelegt werden. Unaufschiebbare Maßnahmen veranlasst die örtliche Staatsanwaltschaft im Einvernehmen mit der Zentralstelle.

5.2 Kommt eine Einigung über die Zuständigkeit nicht zustande, ist unverzüglich eine Verständigung zwischen den betroffenen Generalstaatsanwaltschaften herbeizuführen.

5.3 Die Akten- und Registerführung obliegt der Zentralstelle.

5.4 Die Zentralstelle teilt der jeweils zuständigen Ansprechpartnerin oder dem jeweils zuständigen Ansprechpartner unverzüglich das Aktenzeichen und, soweit erforderlich, den Gegenstand eines neuen Verfahrens mit. Die Zentralstelle und die Ansprechpartnerin oder der Ansprechpartner stimmen sodann die Einzelheiten der Zusammenarbeit ab (vgl. Nummer 3.1).

Die Zentralstelle ersucht die Ansprechpartnerin oder den Ansprechpartner um einzelne Amtshandlungen, wenn der voraussichtlich erforderliche Aufwand dadurch insgesamt wesentlich geringer wird oder die größere Ortsnähe es angebracht erscheinen lässt (z.B. Eilmaßnahmen oder Sitzungsvertretungen).

Die Ansprechpartnerin oder der Ansprechpartner wird von ihren oder seinen sonstigen Aufgaben freigestellt, wenn und soweit dies für die Zusammenarbeit im Einzelfall erforderlich ist. Die Entscheidung über die Freistellung treffen die Leitende Oberstaatsanwältin oder der Leitende Oberstaatsanwalt der betroffenen Staatsschutzstaatsanwaltschaft und die Leitende Oberstaatsanwältin oder der Leitende Oberstaatsanwalt in Hannover im Einvernehmen miteinander. Nummer 5.2 gilt entsprechend.

5.5 Die Zentralstelle fügt im Schriftverkehr der Bezeichnung ihrer Behörde den Zusatz „Zentralstelle zur Bekämpfung des politisch und religiös motivierten Terrorismus” bei.

5.6 Ist Anklage bei einem niedersächsischen Gericht außerhalb des Landgerichtsbezirks Hannover zu erheben, leitet die Zentralstelle ihre Anklage über die örtliche Staatsanwaltschaft dem Gericht zu.

Die zuständige Ansprechpartnerin oder der zuständige Ansprechpartner erhält eine Abschrift der Anklageschrift oder des Bußgeldbescheides.

5.7 Die örtliche Staatsanwaltschaft bzw. die zuständige Ansprechpartnerin oder der zuständige Ansprechpartner übernimmt die Sitzungsvertretung, soweit die Zentralstelle dies für ausreichend hält.

Die Zentralstelle prüft, ob eine gemeinsame Sitzungsvertretung sachdienlich ist.

In den Fällen des § 75 OWiG entscheidet die Zentralstelle darüber, ob die Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung teilnimmt.

5.8 Über Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Einstellung eines nach dieser AV von der Zentralstelle geführten Ermittlungsverfahrens entscheidet die Generalstaatsanwaltschaft Celle.

6. Schlussbestimmung

Diese AV tritt am 1.8.2011 in Kraft.

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