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Niedersächsisches Behindertengleichstellungsgesetz (NBGG)
Art.1 des Gesetzes vom 25. November 2007 (Nds.GVBl. Nr.37/2007 S.661), geändert durch Gesetz vom 3.4.2014 (Nds.GVBl. Nr.7/2014 S.90) und vom 25.10.2018 (Nds. GVBl. Nr. 14/2018 S. 217) - VORIS 84200 -

§ 1
Ziel des Gesetzes

Ziel dieses Gesetzes ist es, Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.

§ 2
Begriffsbestimmungen

(1) 1Öffentliche Stellen im Sinne dieses Gesetzes mit Ausnahme der §§ 9 bis 9 e sind die Behörden, Gerichte und sonstige Einrichtungen des Landes, die Kommunen sowie die sonstigen der alleinigen Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. 2Ausgenommen sind

  1. Sparkassen,
  2. Gerichte und Staatsanwaltschaften, soweit sie Aufgaben der Rechtsprechung, der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung wahrnehmen,
  3. öffentliche Stellen im Sinne des Satzes 1, soweit sie zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten tätig werden.

(2) Menschen haben eine Behinderung, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und da-her ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

(3) 1Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. 2Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.“

§ 3
Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern

Die öffentlichen Stellen berücksichtigen die unterschiedlichen Lebensbedingungen von Frauen und Männern mit Behinderungen.

§ 4
Benachteiligungsverbot

(1) Die öffentlichen Stellen sollen in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich die in § 1 genannten Ziele verwirklichen und bei der Planung von Maßnahmen beachten.

(2) 1Die öffentlichen Stellen dürfen Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen. 2Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden.

§ 5
Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen

(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.

(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.

(3) 1Menschen mit Hörbehinderung und Menschen mit Sprachbehinderung haben nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften das Recht, die Deutsche Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden. 2Soweit sie sich nicht in Deutscher Gebärdensprache oder mit lautsprachbegleitenden Gebärden verständigen, haben sie nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften das Recht, andere geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden.

§ 6
Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und Kommunikationshilfen

(1) 1Ein Mensch mit Hör- oder Sprachbehinderung hat das Recht, mit öffentlichen Stellen in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren oder zur Wahrnehmung seiner Interessen in Kindertagesstätten und Schulen erforderlich ist. 2Dabei ist auf Wunsch der oder des Berechtigten im notwendigen Umfang die Übersetzung durch eine Gebärdensprachdolmetscherin oder einen Gebärdensprachdolmetscher oder die Verständigung über andere geeignete Kommunikationshilfen sicherzustellen. 3Die Hochschulen in staatlicher Verantwortung müssen auf Antrag für einen Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderung anstelle von mündlichen Prüfungen und Leistungsfeststellungen Prüfungen und Leistungsfeststellungen in schriftlicher Form durchführen, soweit der Prüfungs- oder Leistungsfeststellungszweck nicht entgegensteht.

(2) 1Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, die durch Verwendung der Gebärdensprache, lautsprachbegleitender Gebärden und geeigneter Kommunikationshilfen nach Absatz 1 Satz 1 entstehenden Kosten zu tragen. 2Herangezogene Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher oder andere Kommunikationshelferinnen und Kommunikationshelfer erhalten auf Antrag eine Vergütung in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes vom 5.Mai 2004 (BGBl. I S.718, 776), zuletzt geändert durch Artikel 19 des Gesetzes vom 22.Dezember 2006 (BGBl. I S.3416), in der jeweils geltenden Fassung.

§ 7
Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr

(1) 1Neubauten sowie große Um- oder Erweiterungsbauten öffentlicher Stellen sollen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. 2Von den allgemein anerkannten Regeln der Technik kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung die Anforderungen an die Barrierefreiheit in gleichem Maß erfüllt werden. 3Ausnahmen von Satz 1 sind bei großen Um- und Erweiterungsbauten zulässig, soweit die Anforderungen an die Barrierefreiheit nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können.

(2) Sonstige öffentliche bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Verkehrsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind barrierefrei zu gestalten, soweit dies durch Rechtsvorschrift vorgegeben ist.

§ 8
Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken

(1) Die öffentlichen Stellen haben bei der Gestaltung von Bescheiden, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken Behinderungen von Menschen zu berücksichtigen.

(2) Die öffentlichen Stellen haben einem blinden oder sehbehinderten Menschen auf Verlangen Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke kostenfrei auch in einer für diesen geeigneten und wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen, soweit dies zur Wahrnehmung von Rechten im Verwaltungsverfahren erforderlich ist.

§ 9
Besondere Regelungen für Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen

(1) 1Öffentliche Stellen im Sinne der §§ 9 a bis 9 e sind

  1. das Land, die Kommunen sowie die sonstigen der alleinigen Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
  2. sonstige einer öffentlichen Stelle im Sinne der Nummer 1 zuzuordnende Einrichtungen des öffentlichen Rechts und
  3. Vereinigungen, an denen mindestens eine öffentliche Stelle im Sinne der Nummer 1 oder 2 beteiligt ist und die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen.

2Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 sind Einrichtungen, die

  1. zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen,
  2. Rechtspersönlichkeit besitzen und
  3. überwiegend von einer öffentlichen Stelle im Sinne des Satzes 1 finanziert werden, hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht einer solchen Stelle unterstehen oder ein Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan haben, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die von einer solchen Stelle ernannt worden sind.

3Eine überwiegende Finanzierung wird angenommen, wenn mehr als 50 Prozent der Finanzausstattung der Einrichtung aufgebracht werden, worunter auch Zahlungen von Nutzerinnen und Nutzern fallen können, die nach öffentlich- rechtlichen Rechtsvorschriften auferlegt, berechnet und erhoben werden. 4Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind auch juristische Personen des privaten Rechts, wie etwa in einer solchen Rechtsform organisierte Krankenhäuser, Pflegedienste und Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs, wenn sie die Voraussetzungen nach den Sätzen 2 und 3 erfüllen.

(2) 1Die §§ 9 a bis 9 e gelten nicht für Websites und mobile Anwendungen,

  1. für die nach Artikel 1 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2016/ 2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (ABl. EU Nr. L 327 S. 1) die Richtlinie nicht gilt, und
  2. von Schulen und Tageseinrichtungen für Kinder in Trägerschaft öffentlicher Stellen, mit Ausnahme der Inhalte, die sich auf wesentliche Online-Verwaltungsfunktionen beziehen.

2Die §§ 9 a bis 9 e gelten auch nicht für Inhalte von Websites und mobilen Anwendungen, für die nach Artikel 1 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102 die Richtlinie nicht gilt; § 9 a Abs. 1 Satz 5 bleibt unberührt.

(3) 1Auf Schulen und Tageseinrichtungen für Kinder in Trägerschaft öffentlicher Stellen ist, soweit die §§ 9 a bis 9 e für ihre Websites und mobilen Anwendungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 nicht gelten, § 9 dieses Gesetzes in der bis zum 1. November 2018 geltenden Fassung weiter anzuwenden. 2Die Einhaltung von sich aus Satz 1 ergebenden Anforderungen ist nicht Gegenstand des Überwachungsverfahrens nach § 9 c Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und des Durchsetzungsverfahrens nach § 9 d.

§ 9 a
Barrierefreie Informationstechnik öffentlicher Stellen

(1) 1Die öffentlichen Stellen gestalten ihre Websites und mobilen Anwendungen, einschließlich der für ihre Beschäftigten bestimmten Angebote im Intranet, wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust, um sie barrierefrei zugänglich zu machen (barrierefreie Gestaltung). 2Schrittweise, spätestens bis zum 23. Juni 2021, gestalten sie ihre elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe, einschließlich ihrer Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung, barrierefrei. 3Die grafischen Programmoberflächen sind von der barrierefreien Gestaltung umfasst. 4Angebote öffentlicher Stellen im Internet, die auf Websites Dritter, beispielsweise in sozialen Medien, veröffentlicht werden, sind soweit möglich barrierefrei zu gestalten. 5Dateiformate von Büroanwendungen, für die nach Artikel 1 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie (EU) 2016/2102 die Richtlinie nicht gilt, sind von den öffentlichen Stellen schrittweise mit dem Ziel umzugestalten, die Barrierefreiheitsanforderungen nach Satz 1 zu erfüllen.

(2) 1Die barrierefreie Gestaltung erfolgt nach Maßgabe der nach § 9 e zu erlassenden Verordnung. 2Soweit diese Verordnung keine Vorgabe enthält, erfolgt die barrierefreie Gestaltung nach den anerkannten Regeln der Technik.

(3) Insbesondere bei Neuanschaffungen, Erweiterungen und Überarbeitungen ist die barrierefreie Gestaltung bereits bei der Planung, Entwicklung, Ausschreibung und Beschaffung zu berücksichtigen.

(4) 1Von der barrierefreien Gestaltung können öffentliche Stellen ausnahmsweise absehen oder diese schrittweise herstellen, soweit sie durch eine barrierefreie Gestaltung unverhältnismäßig belastet würden. 2Inwieweit eine unverhältnismäßige Belastung bewirkt würde, ist von der öffentlichen Stelle nach Maßgabe und anhand der Kriterien des Artikels 5 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu bewerten; die Bewertung ist so zu dokumentieren, dass eine Überprüfung im Rahmen des Durchsetzungsverfahrens nach § 9 d ermöglicht wird.

§ 9 b
Erklärung zur Barrierefreiheit

(1) Die öffentlichen Stellen veröffentlichen eine detaillierte, umfassende und klare Erklärung zur Barrierefreiheit ihrer Websites oder mobilen Anwendungen und aktualisieren diese bei Bedarf.

(2) Die Erklärung der Barrierefreiheit enthält

  1. für den Fall, dass ausnahmsweise keine vollständige barrierefreie Gestaltung erfolgt ist,
    a)
    die Benennung der Teile des Inhalts, die nicht barrierefrei zugänglich sind,
    b)
    die Gründe für diese Unzugänglichkeit sowie
    c)
    gegebenenfalls einen Hinweis auf barrierefrei zugängliche Alternativen,
  2. eine Beschreibung und eine Verlinkung zur elektronischen Kontaktaufnahme, über die die Nutzerinnen und Nutzer der betreffenden öffentlichen Stelle jegliche Mängel ihrer Websites und mobilen Anwendungen bei der Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen mitteilen, die Gründe für die nicht barrierefreie Gestaltung von Informationen erfragen und die nach § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 9 a Abs. 4 Satz 1 von der Barrierefreiheit ausgenommenen Informationen in einem für sie zugänglichen Format anfordern können,
  3. einen Hinweis auf das Durchsetzungsverfahren nach § 9 d, der
    a)
    die Möglichkeit, ein Durchsetzungsverfahren durchzuführen, erläutert und
    b)
    eine Verlinkung zur Schlichtungsstelle enthält.

(3) Zu veröffentlichen ist die Erklärung zur Barrierefreiheit

  1. auf Websites öffentlicher Stellen, die nicht vor dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden, ab dem 23. September 2019,
  2. auf Websites öffentlicher Stellen, die nicht unter Nummer 1 fallen, ab dem 23. September 2020,
  3. auf mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen ab dem 23. Juni 2021.

(4) Die öffentlichen Stellen antworten auf Mitteilungen, Anfragen und Anträge nach Absatz 2 Nr. 2 innerhalb eines Monats.

§ 9 c
Überwachungsstelle und Berichterstattung

(1) 1Bei dem für Soziales zuständigen Ministerium wird eine Überwachungsstelle des Landes für die Barrierefreiheit von Informationstechnik eingerichtet. 2Ihre Aufgaben sind

  1. periodisch nach Maßgabe des Artikels 8 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu überwachen, ob und inwiefern Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen den Anforderungen an die Barrierefreiheit genügen,
  2. zu überwachen, ob festgestellte Mängel beseitigt wurden, und, soweit erforderlich, die öffentlichen Stellen hinsichtlich der Beseitigung festgestellter Mängel zu beraten,
  3. Schulungsprogramme im Sinne des Artikels 7 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu fördern und zu erleichtern,
  4. Sensibilisierungsmaßnahmen im Sinne des Artikels 7 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2016/2102 durchzuführen,
  5. die nach § 12 c Abs. 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 10. Juli 2018 (BGBl. I S. 1117), zu erstattenden Berichte des Landes zu erstellen und
  6. als sachverständige Stelle die Schlichtungsstelle nach § 9 d zu unterstützen.

3Der Bericht nach Satz 2 Nr. 5 ist auch dem Landtag vorzulegen.

(2) Die obersten Landesbehörden unterstützen die Überwachungsstelle bei der Erstellung des Berichts nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 und erstellen verbindliche und überprüfbare Maßnahmen- und Zeitpläne zum weiteren Abbau von Barrieren ihrer Informationstechnik.

§ 9 d
Schlichtungsstelle, Durchsetzungsverfahren, Verordnungsermächtigung

(1) 1Bei der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen wird eine Schlichtungsstelle zur Beilegung von Streitigkeiten nach den Absätzen 2 und 3 eingerichtet, die für das Durchsetzungsverfahren im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zuständig ist. 2Sie wird mit neutralen schlichtenden Personen besetzt und hat eine Geschäftsstelle. 3Das Verfahren der Schlichtungsstelle muss insbesondere gewährleisten, dass

  1. die Schlichtungsstelle unabhängig ist und unparteiisch handelt,
  2. die Verfahrensregeln für Interessierte zugänglich sind,
  3. die Beteiligten des Schlichtungsverfahrens rechtliches Gehör erhalten, insbesondere Tatsachen und Bewertungen vorbringen können,
  4. die schlichtenden Personen und die in der Schlichtungsstelle Beschäftigten die Vertraulichkeit der Informationen gewährleisten, von denen sie im Schlichtungsverfahren Kenntnis erhalten, und
  5. eine barrierefreie Kommunikation mit der Schlichtungsstelle möglich ist.

(2) Ist eine Nutzerin oder ein Nutzer der Ansicht, dass eine öffentliche Stelle

  1. 1. eine Mitteilung, eine Anfrage oder einen Antrag der Nutzerin oder des Nutzers nach § 9 b Abs. 2 Nr. 2 nicht wirksam behandelt hat oder
  2. 2. eine Bewertung nach § 9 a Abs. 4 unrichtig vorgenommen hat,

so kann sie oder er bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen.

(3) Ein nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannter Verband kann bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen, wenn er einen Verstoß einer öffentlichen Stelle gegen deren Pflichten nach § 9 a oder § 9 b behauptet.

(4) 1Der Antrag nach den Absätzen 2 und 3 kann in Textform oder zur Niederschrift bei der Schlichtungsstelle gestellt werden. 2Diese übermittelt zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens eine Abschrift des Schlichtungsantrags an die öffentliche Stelle.

(5) 1Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, die Schlichtungsstelle bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. 2Dies umfasst auch, der Schlichtungsstelle auf Ersuchen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in Akten und sonstige Unterlagen zu gewähren.

(6) 1Die Schlichtungsstelle kann die nach § 9 c eingerichtete Überwachungsstelle über deren Beratungspflichten hinaus beteiligen. 2Sie kann im Einzelfall die Überprüfung einer Website oder mobilen Anwendung einer öffentlichen Stelle verlangen.

(7) 1Die schlichtende Person wirkt in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hin. 2Sie kann einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten. 3Der Schlichtungsvorschlag soll am geltenden Recht ausgerichtet sein. 4Die schlichtende Person kann den Einsatz von Mediation anbieten.

(8) Das Schlichtungsverfahren ist für die Beteiligten unentgeltlich.

(9) 1Das Schlichtungsverfahren endet mit der Einigung der Beteiligten, der Rücknahme des Schlichtungsantrags oder der Feststellung, dass keine Einigung möglich ist. 2Wenn keine Einigung möglich ist, endet das Schlichtungsverfahren mit der Zustellung der Bestätigung der Schlichtungsstelle an die Antragstellerin oder den Antragsteller, dass keine gütliche Einigung erzielt werden konnte. 3Kommt eine gütliche Einigung nicht zustande, so kann die Schlichtungsstelle die für die betreffende öffentliche Stelle zuständige Aufsichtsbehörde um Überprüfung der Angelegenheit ersuchen.

(10) 1Das für Soziales zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Verordnung das Nähere über die Geschäftsstelle, die Besetzung und das Verfahren der Schlichtungsstelle nach den Absätzen 1, 4 bis 7 und 9 zu regeln sowie weitere Vorschriften über die Kosten des Verfahrens und die Entschädigung zu erlassen. 2Die Verordnung regelt auch das Nähere zu Tätigkeitsberichten der Schlichtungsstelle.

§ 9 e
Verordnungsermächtigung

Das für Soziales zuständige Ministerium erlässt durch Verordnung Bestimmungen über

  1. diejenigen Websites und mobilen Anwendungen sowie Inhalte von Websites und mobilen Anwendungen, auf die sich der Geltungsbereich der Verordnung bezieht,
  2. die technischen Standards, die öffentliche Stellen bei der barrierefreien Gestaltung anzuwenden haben, und den Zeitpunkt, ab dem diese Standards anzuwenden sind,
  3. die Bereiche und Arten amtlicher Informationen, die barrierefrei zu gestalten sind,
  4. die konkreten Anforderungen der Erklärung zur Barrierefreiheit,
  5. die konkreten Anforderungen der Berichterstattung über den Stand der Barrierefreiheit und
  6. die Einzelheiten des Überwachungsverfahrens nach § 9 c Abs. 1 Satz 2 Nr. 1.

§ 10
Landesbeauftragte oder Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderungen

(1) 1Die Landesregierung bestellt eine Landesbeauftragte oder einen Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, der amtierende Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen hat ein Vorschlagsrecht und ist vor der Bestellung anzuhören. 2Die oder der Landesbeauftragte soll ein Mensch mit Behinderung sein. 3Sie oder er ist in der Wahrnehmung des Amtes unabhängig.

(2) Die oder der Landesbeauftragte ist dem für Soziales zuständigen Ministerium zugeordnet; ihr oder ihm ist die für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Ausstattung zur Verfügung zu stellen.

(3) Die Bestellung endet, außer aus beamten- oder arbeitsrechtlichen Gründen, durch Abberufung durch die Landesregierung.

§ 11
Aufgaben der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen

(1) Aufgabe der oder des Landesbeauftragten ist es, darauf hinzuwirken, dass die Ziele des Gesetzes verwirklicht werden und die öffentlichen Stellen die Verpflichtungen nach den §§ 3, 4 und 6 bis 9 erfüllen.

(2) Die Ministerien und die Staatskanzlei beteiligen die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten bei den Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben, soweit diese die Zielsetzung dieses Gesetzes betreffen.

(3) 1Die öffentlichen Stellen sind mit Ausnahme der kommunalen Gebietskörperschaften verpflichtet, die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten bei der Erfüllung der Aufgabe zu unterstützen, insbesondere Auskünfte zu erteilen und Einsicht in Unterlagen zu gewähren, soweit dies zur sachgerechten Aufgabenwahrnehmung erforderlich und im Rahmen der Gesetze zulässig ist. 2Die Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten bleiben unberührt.

§ 12
Beiräte für Menschen mit Behinderungen

(1) Die oder der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen richtet einen Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen ein, der sie oder ihn bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt.

(2) 1Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen besteht aus der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen als vorsitzendem Mitglied und 20 weiteren Mitgliedern. 2Als weitere Mitglieder beruft die oder der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen für die Dauer der jeweiligen Wahlperiode des Landtages

  1. zehn Personen auf Vorschläge von Landesverbänden von Vereinigungen oder Selbsthilfegruppen von Menschen mit Behinderungen,
  2. fünf Personen auf Vorschlag der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Niedersachsen,
  3. je eine Person auf Vorschlag eines jeden kommunalen Spitzenverbandes,
  4. eine Person auf Vorschlag von Gewerkschaften und
  5. eine Person auf Vorschlag von Unternehmensverbänden.

3Die weiteren Mitglieder nehmen ihre Aufgabe ehrenamtlich wahr. 4Das Land trägt die notwendigen Reisekosten der Mitglieder nach Satz 2 Nr. 1.

(3) 1Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen gibt sich im Benehmen mit dem für Soziales zuständigen Ministerium eine Geschäftsordnung. 2In der Geschäftsordnung sind insbesondere Regelungen über die Vorbereitung, Einberufung und Durchführung von Sitzungen sowie über die Beschlussfassung zu treffen.

(4) 1Die Landkreise und die kreisfreien Städte richten zu ihrer Unterstützung bei der Verwirklichung der Zielsetzung dieses Gesetzes jeweils einen Beirat oder ein vergleichbares Gremium ein. 2Näheres wird durch Satzung bestimmt.

§ 13
Verbandsklage

(1) 1Ein nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannter Verband oder dessen niedersächsischer Landesverband kann, ohne die Verletzung in eigenen Rechten geltend zu machen, nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung oder des Sozialgerichtsgesetzes Klage erheben auf Feststellung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 4 Abs. 2 und die Verpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit nach § 6 Abs. 1, § 7 oder B. 2Die Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch eine Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird.

(2) 1Absatz 1 Satz 1 gilt nicht,

  1. wenn sich die Klage auf einen Sachverhalt bezieht, über den bereits in einem verwaltungs- oder sozialgerichtlichen Streitverfahren entschieden oder ein Vergleich geschlossen worden ist, oder
  2. soweit ein Mensch mit Behinderung selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgt, verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

2Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 kann die Klage nach Absatz 1 erhoben werden, wenn es sich um einen Sachverhalt von allgemeiner Bedeutung handelt. 3Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorliegt.

§ 14
Leistungen für Aufwendungen der kommunalen Gebietskörperschaften

(1) Die Landkreise, die Region Hannover und die kreisfreien Städte sowie die Landeshauptstadt Hannover und die Stadt Göttingen erhalten vom Land jährlich insgesamt 1.500.000 Euro.

(2) § 7 des Niedersächsischen Finanzverteilungsgesetzes gilt entsprechend.

(3) 1Von den Zuweisungen nach Absatz 2 für einen Landkreis oder die Region Hannover erhalten die Gemeinden, soweit sie nicht Mitglied einer Samtgemeinde sind, und die Samtgemeinden 50 vom Hundert des um 5.000 Euro reduzierten Betrages nach dem Verhältnis der Einwohnerzahlen. 2Dies gilt nicht für die Landeshauptstadt Hannover und die Stadt Göttingen.

§ 15
Überprüfung des Gesetzes

Die Landesregierung überprüft bis zum 31.Dezember 2010 die Auswirkungen dieses Gesetzes.

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